![]() ![]() ![]() Offener Brief von Prof. Irslinger an Minister HabeckOFFENER BRIEF Stellungnahme zu dem Offenen Brief von NABU, Deutsche Umwelthilfe, ROBIN WOOD, biofuelwatch und WWF an Bundesminister Habeck vom 14. September 2023 Sehr geehrter Herr Bundesminister Habeck, mit Befremden reagiert die wissenschaftliche Fachwelt auf den Offenen Brief, den die fünf im Betreff genannten Verbände am 14. September an Sie geschrieben haben. Bereits am 27. Oktober 2022 wurde ein von 550 Fach-Wissenschaftler*innen unterzeichneter Scientist Letter an die European Commission, President Ursula von der Leyen, European Parliament President, Roberta Metsola, und European Council, President Charles Michel gerichtet (Anlage 2), in dem auf wissenschaftlichem Niveau begründet wird, warum Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft CO2-neutral ist und warum dies auch politisch anerkannt bleiben muss (Anlage 3). Auf EU-Ebene wurde diese Forderung inzwischen akzeptiert! Die Behauptung der im Betreff genannten NGOs, die Interessen der Bioenergie und Forstindustrie seien dabei stärker gewichtet worden als der Schutz von Wäldern und Klima, ist ein Affront gegenüber der Wissenschaft. Als Initiator des Scientist Letter vom 27. Oktober 2022 erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass der Brief der Umweltverbände vom 27. September an Sie in zahlreichen Punkten die Ergebnisse waldökologischer wissenschaftlicher Forschung ignoriert.
In nachhaltig bewirtschafteten Wäldern ist die Summe aus Nutzung und Kalamitäten dauerhaft kleiner als der Zuwachs, der Holzvorrat steigt trotz Nutzung langsam an. In Europa insgesamt und in allen europäischen Staaten sind die Holzvorräte in den letzten Jahrzehnten trotz Nutzung weiter gewachsen. Nachhaltige Nutzung von Holz führt zu keinem zusätzlichen Holzeinschlag. Bei nachhaltiger Waldwirtschaft wird der Kohlenstoff schneller im nachwachsenden Wald gebunden, als er im Zuge des Holzeinschlags freigesetzt wird. Weil Zeit durch Raum ersetzt wird und gepflegte Wälder schneller wachsen, entsteht in der Waldlandschaft keine Kohlenstoffschuld. Die spezifische CO2-Emission der Holzverbrennung belastet die Atmosphäre bei nachhaltiger Waldwirtschaft nicht, weil der Kohlenstoff im Holz ohnehin Teil des biosphärisch-atmosphärischen Kreislaufes ist.
Cowie AL, Berndes G, Bentsen NS, Brandão M, Cherubini F, Egnell G, George B, Gustavsson L, Hanewinkel M, Harris ZM, Johnson F, Junginger M, Kline KL, Koponen K, Koppejan J, Kraxner F, Lamers P, Majer S, Marland E, Nabuurs GJ, Pelkmans L, Sathre R, Schaub M, Tattersall Smith JRC, Soimakallio S, van der Hilst F, Woods J, Ximenes, FA 2021: Applying a science-based systems perspective to dispel misconceptions about climate effects of forest bioenergy. – In: Global Chance Biology Bioenergy. 13:1210-1231 https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/gcbb.12844 Palahí M, Valbuena R, Senf C, Acil N, Pugh TAM, Sadler J, Seidl R, Potapov P, Gardiner B, Hetemäki L, Chirici G, Francini S, Hlásny T, Lerink BJW, Olsson H, Olabarria JRG, Ascoli D, Asikainen A, Bauhus J, Berndes G, Donis J, Fridman J, Hanewinkel M, Jactel H, Lindner M, Marchetti M, Marušák R, Sheil D, Tomé M, Trasobares A, Verkerk PJ, Korhonen M, Nabuurs GJ 2021: Concerns about reported harvests in European forests. Nature 592:E15-E17. https://www.researchgate.net/publication/351130621_Concerns_about_reported_harvests_in_European_forests Schulze ED, Bouriaud O, Irslinger R, Valentini R 2022: The role of wood-harvest from sustainably managed forests in the carbon cycle. In: Annals of Forest Science 79(17):13 pp. https://www.researchgate.net/publication/359800372_The_role_of_wood_harvest_from_sustainably_managed_forests_in_the_carbon_cycle
Bioenergie aus nachhaltiger Waldwirtschaft ist klimaneutral. Wenn Totholz verrottet, wird der darin gebundene Kohlenstoff frei und gelangt als CO2 in die Atmosphäre ohne fossile Brennstoffe zu substituieren. Wenn wir aus dem Holz stattdessen Energie gewinnen, vermeiden wir fossile Emissionen. Bei Einbeziehung der Vorketten emittieren Wärmepumpen zehnmal mehr CO2, zehnmal mehr Methan und viermal mehr Lachgas als Wärme z.B. aus einem Pelletofen (Anlage 4). Verzicht auf Holzenergie verschenkt erhebliches Potenzial für den Klimaschutz! Rund 40 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente sind dies jedes Jahr allein in Deutschland.
Edelmann P, Weisser WW, Ambarl? D, Bässler C, Buscot F, Hofrichter M, Hoppe B, Kellner H, Minnich C, Moll J, Persoh D, Seibold S, Seilwinder C, Schulze ED, Wöllauer S, Borken W 2023: Regional variation in deadwood decay of 13 tree species : Effects of climate, soil and forest structure. Forest Ecology and Management 541:121094 https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0378112723003286 Umweltbundesamt 2022: Emissionsbilanz erneuerbarer Energieträger:Bestimmung der vermiedenen Emissionen im Jahr 2021. Climate Change 50:1-170 https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2022-12-09_climate-change_50-2022_emissionsbilanz_erneuerbarer_energien_2021_bf.pdf
In ihrer Funktion als Klimaschützer sind naturnah bewirtschaftete Waldlandschaften sich selbst überlassenen Wäldern weit überlegen. Naturschutzwälder haben keine höheren Kohlenstoffvorräte als Wirtschaftswälder. Der in den letzten Jahren zu beobachtende Rückgang der Waldsenke liegt in den immer älter werdenden Wäldern begründet. Alte Wälder wachsen langsam, Waldpflege sichert aber die Naturverjüngung. Bei Nutzungsverzicht erreichen Wälder ein Fließgleichgewicht und die Wald-Kohlenstoffsenke geht gegen Null. Naturnahe Waldwirtschaft erhält sowohl Holzvorräte als auch die Waldsenke dagegen auf hohem Niveau.
Roebroek CTJ, Duveiller G, Seneviratne SI, Davin EL, Cescatti A 2023: Releasing global forests from human management : How much more carbon could be stored? Science 380:749–753 https://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/handle/JRC132506 Schulze ED, Rock J, Kroiher F, Egenolf V, Wellbrock N, Irslinger R, Bolte A, Spellmann H 2021: Klimaschutz mit Wald : Speicherung von Kohlenstoff im Ökosystem und Substitution fossiler Brennstoffe. In: Biol Unserer Zeit 51(1):46-54 https://www.researchgate.net/publication/349442358_Klimaschutz_mit_Wald
4. Bauen mit Holz vermeidet fossile Emissionen Holz aus heimischen Wäldern wird prioritär zur Herstellung von Holzprodukten verwendet, entgegen der Darstellung in dem Brief vom 14. September. In Möbeln und Häusern wird Kohlenstoff gespeichert, bei ihrer Herstellung werden fossile Emissionen vermieden. Eine Stadt aus Holz speichert mehr Kohlenstoff als jeder Wald. Lediglich Waldrestholz und der bei der Herstellung der Holzprodukte entstehende Verschnitt werden energetisch verwertet. Am Ende der Nutzungskaskade werden auch die Holzprodukte energetisch genutzt und mittels BECCS (bioenergy with carbon capture and storage) wird Kohlenstoff künftig dauerhaft der Atmosphäre entzogen (negative Emission).
Kuittinen M, Zernicke C, Slabik S, Hafner A 2021: How can carbon be stored in the built environment? A review of potential options. – Architectural Science Review https://www.researchgate.net/publication/349999665_How_can_carbon_be_stored_in_the_built_environment_A_review_of_potential_options Lippke B, Puettmann M, Oneil E 2019: Effective Uses of Forest-Derived Products to Reduce Carbon Emissions. CORRIM Technical Note 1-8 https://corrim.org/wp-content/uploads/2020/12/Lippke-et-al-The-effective-uses-of-forest-derived-CORRIM-report-2019.pdf
5. Gepflegte Wälder kühlen besser Bei Nutzungsverzicht wird der Wald dichter, kurzfristig ist es in diesem Wald kühler. Weil aber im dichten Wald viel Regen in den Baumkronen hängen bleibt, steht den Wurzeln weniger Wasser zur Verfügung. Waldpflege verringert die Dichte, erlaubt dem Baum eine bessere Wasserversorgung und steigert seine Vitalität. Beim Aussetzen der Pflege reguliert sich das Waldökosystem selbst, indem Bäume absterben, der Wald zur CO2-Quelle wird und weniger kühlt.
Giuggiola A, Bugmann H, Zingg A, Dobbertin M, Rigling A 2013: Reduction of stand density increases drought resistance in xeric Scots pine forests. Forest Ecology and Management 310:827–835 https://www.researchgate.net/publication/270875067_Reduction_of_stand_density_increases_drought_resistance_in_xeric_Scots_pine_forests Lang F, Kleinschmit B 2022: Waldinnenklima als dynamischer Standortsfaktor : Steuergrößen und Einfluss auf Wasser-, Nährstoff- und Kohlenstoffhaushalt der Böden. Standort.wald 52:43-49.
6. Totholz ist wichtig für den Artenschutz 25 Kubikmeter Totholz liegen in deutschen Wäldern auf jedem Hektar Wald, das bedeutet den Verzicht auf die Nutzung von 20 Millionen Kubikmetern Holz, jedes Jahr. Das ist gut so! Aber über die Artenvielfalt entscheidet die Vielfalt der Baumarten und Habitate, nicht die Totholzmenge. Mehr Totholz erhöht auch nicht den Kohlenstoffspeicher im Humus des Waldbodens. Bemerkenswert ist, dass das Holz der Buche in seiner Bedeutung für den Artenschutz weit hinter dem der Eiche und anderer Baumarten liegt.
Müller-Kroehling S: Des Königs neue Kleider – Biodiversität und Buchenwälder. AFZ-DerWald 18:12-15 https://www.researchgate.net/publication/363875975_Des_Konigs_neue_Kleider_-_Biodiversitat_und_Buchenwalder Nagel R, Meyer P, Blaschke M, Feldmann E. 2023: Strict forest protection : A meaningful contribution to Climate-Smart Forestry - An evaluation of temporal trends in the carbon balance of unmanaged forests in Germany https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/ffgc.2023.1099558/full
7. Waldwildnis ist nicht nachhaltig Wälder sind klimagesteuert, der Klimawandel wird dazu führen, dass sich selbst überlassene Wälder in die Zerfallsphase eintreten, Biomasse verlieren und zur Kohlenstoffquelle werden. Wälder nicht mehr zu nutzen, heißt Täuschung der Öffentlichkeit, weil biogene Senken wie vermiedene Emissionen behandelt werden. Das politische Versprechen eines weiteren Holzvorratsaufbaus zeugt von mangelnder Verantwortung für künftige Generationen.
Irslinger R 2022: Waldlandschaften in der Klimakrise : Risikopatient und Problemlöser zugleich. Artenschutzreport 46:26-52 https://www.researchgate.net/publication/361288015_Waldlandschaften_in_der_Klimakrise_Risikopatient_und_Problemloser_zugleich Spiecker H, Kahle HP 2023: Climate-driven tree growth and mortality in the Black Forest, Germany-Long-term observations. Glob Change Biol. 2023;00:1-16 https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/gcb.16897
Die Forderung, jegliche Subventionen für Holzverbrennung einzustellen, die Anschaffung von Holzheizungen künftig nicht zu unterstützen und den reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Brennholz auf den regulären Satz anzuheben, sind daher völlig kontraproduktiv.
Die dafür vorgetragene Begründung, die CO2-Emissionen aus Holzenergie seien pro Energieeinheit nicht geringer als beim Verbrennen von Kohle, ist schlicht skandalös und lässt jedes wissenschaftliche Verständnis von Waldökologie vermissen. Die Befreiung von CO2-Abgaben stellt keine indirekte Subvention für Holzenergie dar, sondern beschleunigt die Energiewende. Bedingt durch den Klimawandel wird der Anfall an Schadholz steigen, so dass stofflich nicht verwertbares Holz in ausreichendem Umfang auch künftig zur Verfügung stehen wird.
Der Einsatz von Holz in Großfeuerungsanlagen ist nur solange unproblematisch, wie das Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft stammt. Bei Anwendung der BECCS-Technologie (bioenergy with carbon capture and storage) kann dabei Kohlenstoff sogar dauerhaft der Atmosphäre entzogen werden, was wesentlich effektiver ist, als Kohlenstoff in überbevorrateten und zunehmend instabilen Wäldern anzureichern.
Sehr geehrter Herr Minister Habeck, Holzenergie ist unter der Voraussetzung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung, wie dies in Deutschland und der EU der Fall ist, ein wichtiger Bestandteil der Energiewende. Ohne Holzenergie ist die Energiewende nicht zu schaffen! Bitte beachten Sie bei allen politischen Weichenstellungen den fachwissenschaftlichen waldökologischen Hintergrund. Danke!
Mit freundlichen Grüßen aus Tübingen
gez. Prof. a.D. Roland Irslinger
Mitglied im Kuratorium Nachhaltiges Wirtschaften https://www.forum-csr.net/Partner/Das_Kuratorium Die erwähnten Anlagen finden Sie hier: |
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